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Deutsch als Fremd- und Zweitsprache


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Deutsch zu zweit
264 Seiten, Abb.
2., veränd. Auflage
ISBN 978-3-941323-32-2
Preis: 15,90 €*

Deutsch zu zweit

Ist Muttersprache Expertensache?

Über klassische Beckmesser und ein Buch für romantische Lernhelfer

Artikel zu DEUTSCH zu 2WEIT aus der Zeitschrift „Der Wolkentramper“
Von Gerhard Antretter

Nach verbreiteter Auffassung lernen sich Fremdsprachen am besten „im Land“, dort wiederum am besten in guter Gesellschaft und am allerbesten in einer Liebesbeziehung. „Suchen Se sich ne englische Freundin“ – in meiner Schulzeit war das der einzige originellere Lerntipp, den Englischlehrer draufhatten. In der Praxis erwiesen sich natürlich Vokabel- und Grammatikpauken als zuverlässiger. Englische Freundinnen gibt’s schließlich nicht im Supermarkt, von ethischen Fragen zu schweigen (du sollst nicht im anderen nur das Mittel zum Zweck des Fremdsprachenerwerbs sehen). Abgesehen davon ist klar, dass weder Längen- und Breitengrad noch Hormonpegel alleine für den Lernerfolg ausschlaggebend sind. Land und Leute und Partner geben Gelegenheit, die Sprache zu praktizieren. Aber auch wenn solche lernförderlichen Rahmenbedingungen vorliegen, bleibt der Spracherwerb oft blockiert. Migranten in Deutschland etwa lernen bekanntlich nicht durch das bloße Hiersein, auch wenn es Jahrzehnte währt, schon Deutsch.

Sprachlich bedingte Integrationsprobleme hier lebender Ausländer sind Dauerthema gesellschaftspolitischer Debatten. Mich hat als Deutschlehrer aber die Frage besonders interessiert, weshalb auch das Zusammensein mit deutschem Partner oft nicht den erwartbaren Lernvorsprung verschafft. Mit Deutschen verbandelte Kursteilnehmer – das hat sich in langen Unterrichtsjahren immer wieder bestätigt – lernen nicht zwangsläufig besser als Alleingebliebene.

Für den Lernerfolg ist natürlich immer ein Faktorenbündel verantwortlich. Lernende, die kaum Erfahrung mit Fremdsprachen haben und vielleicht dem Lernen überhaupt länger entwöhnt sind, werden sich auch in der günstigsten Konstellation schwer tun. Es bleibt aber die Frage, weshalb auch solche Lernenden, die eigentlich über recht gute Bildungsvoraussetzungen verfügen, nicht immer im möglichen Maß vom Zusammensein mit deutschem Partner profitieren. Denn grundsätzlich gibt ja eine Partnerschaft tatsächlich den optimalen Rahmen für das Fremdsprachenlernen ab – Herr Oberstudienrat P. was right, after all. Und der glückliche Umstand eines jederzeit verfügbaren Muttersprachlers müsste – ceteris paribus, wie sein altsprachlicher Kollege Oberstudienrat L. zu sagen pflegte – dann auch das Lernresultat positiv abheben, was aber eben keineswegs immer der Fall ist.

Wie kommt das? Eine Ursache findet sich in den Tiefen oder Untiefen deutscher Sprachkultur. Machen wir zur Begründung einen kleinen Schlenker über die Debatte zur Rechtschreibreform. Der sprachkundige „Zeit“-Journalist Dieter E. Zimmer hat vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass kein anderes Neuerungsvorhaben auf so erbitterten Widerstand stieß wie die orthographische Assimilierung bestimmter Fremdwörter. Der Delfin neben dem Delphin ging noch durch, bei Filosofie statt oder neben Philosophie hörte der Spaß auf. Zimmer meinte den Grund in deutscher „Oberlehrerhaftigkeit“ zu sehen. Schreiben, wie man spricht, kann jeder, erst die verselbständigte Orthographie gibt Gelegenheit zur Distinktion durch Regelkundigkeit.

Von der Oberlehrerhaftigkeit haben sich zwar Sprachwissenschaft und -didaktik längst verabschiedet. Sie bricht aber andernorts, etwa im Wirken kurioser Sprachrettungsvereine oder in den beliebten „Dummdeutsch“- Medienglossen, immer wieder durch. Wenn dort auch manchmal halbwegs stichhaltige – aber immer bloß ganz punktuelle – Kritik an uninformiertem und unreflektiertem Sprachgebrauch geübt wird, scheint doch der Hauptzweck in der Einschüchterung und fast schon moralischen Disqualifizierung von Sprachsündern zu bestehen – und natürlich in der Illuminierung des eigenen sensiblen Sprachgeistes durch eine umso heller strahlende Gloriole. (Am Tag, an dem ich diesen Artikel schreibe, verwendet der Deutschlandfunk fünf Minuten darauf, uns zum allerletzten Mal klar zu machen, dass zeitgleich etwas anderes ist als gleichzeitig. Dass die Kinder auch nie zuhören, wenn man was Wichtiges sagt!) Der kleine Muttersprachler von der Straße hat also noch immer die Studienrats-Imago im Genick. Sprachkultur bedeutet für ihn pedantische Normenexekution und ängstliche Vermeidung bloßstellender Schnitzer. (Und nach aus anderen Zusammenhängen bekanntem Muster geht er dann kompensationshalber auf Anglizismenjagd.)

Dabei tritt manchmal noch ein kurioser Nebeneffekt ein. Da offensichtlich auch grammatische Ignoranz von einem Hauch von Barbarentum umweht ist, verlegen sich manche Muttersprachler, wenn sie von Lernenden um Auskunft gebeten werden, auf das Improvisieren ganz neuer – und oft sehr origineller – Regeln. Ein nettes Beispiel – es betraf nicht die Grammatik im engeren Sinn, sondern die Aussprache – wurde mir von einer koreanischen Freundin berichtet. Um ein verbreitetes Vorurteil zu widerlegen, hatte sie sich angewöhnt, das deutsche r stark zu rollen. Es kam zu einem Verständigungsproblem mit einer deutschen Arbeitskollegin, bei dem das Wort arm eine Rolle spielte. Von der Kollegin wurde nun meine Koreanerin instruiert, das r nur im Nomen Arm zu rollen, nicht aber im Adjektiv arm – sonst könnte man ja beide gar nicht mehr voneinander unterscheiden ...

Was ist nun von einem muttersprachlichen Lernpartner zu erwarten, der sich, stets magistraler Züchtigung gewärtig, nur geduckt durchs sprachliche Terrain bewegt? Dem weisgemacht wird, er müsse bändeweise „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ und Statuten des „Vereins Deutsche Sprache“ durcharbeiten, bevor er selbst qualifiziert das Wort ergreifen darf? Gut möglich, dass er die Expertenangelegenheit Muttersprache lieber gleich ganz den Experten überlässt. Der lernende Partner wird zu den Profis in die Schule geschickt und zu Hause – das hat sich in manchem Gespräch ergeben – wird nicht einmal Basic-Deutsch und Kauderwelsch gesprochen, statt dessen für viel zu lange Zeit Englisch oder die Lerner-Muttersprache.

Um dem entgegenzuwirken und aus Lebenspartnern auch Sprachlernpartner zu machen, wäre zuallererst eine Art linguistischer Ich-Stärkung nötig. In Sprachfragen ist nun einmal jeder Muttersprachler in bestimmter Weise ein Experte: Er „beherrscht“ die Sprache. Von diesem Beherrschen im Sinn von Praktizieren-Können zum expliziten Regelwissen ist es nicht eben ein Katzensprung. Aber wer nicht unbedingt die Absicht hat, ein perfekter Beckmesser zu werden, kann doch mit geringerem Aufwand ein erfreulicheres Ziel erreichen: ein selbstbewusster und in Grundzügen über seine Sprache aufgeklärter Muttersprachler zu werden, und damit zugleich ein verständnisvoller und hilfreicher Sprachlernpartner. DEUTSCH zu 2WEIT – ein romantisch- grammatisches Arbeitsbuch – will dabei Hilfestellung leisten.

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